Als ich neulich damit begann, mir Gedanken über die Einführung in diese Ausstellung zu machen, tat ich das, was viele tun, wenn sie einen Text schreiben wollen: Ich begab mich ins Internet. Aber wonach suchen? Kurzerhand gab ich in die Suchleiste meiner Suchmaschine ein: „Das Glück“. Was tauchte da auf als erster Treffer unter Millionen von Ergebnissen?
Eine Seite mit dem Slogan „Jeder hat das Recht auf Erfolg.“ Dann stand da noch: „Erfolgreich zum Erfolg“, und auf der zugehörigen Website mit dem Namen „selfmade-erfolg.de“ wurden mir folgende Menüpunkte angeboten: „Fitter werden“, Karriere machen“, Glücklich sein“, Finanziell verbessern“. Dieses Menü nehme ich, dachte ich sofort! Als ich dann noch erfuhr, dass ich durch die Teilnahme an einem Gewinnspiel ein Maschmeyer-Coaching gewinnen könne, wuchs mein Glücksgefühl ins Unerträgliche....
Randbemerkung:
Falls jemand von Ihnen mit dem Namen Maschmeyer nichts anfangen kann, nur so viel:
Er ist sozusagen der Inbegriff von Erfolg und Glück, hat vor einiger Zeit die Welt bzw. sich selbst bereichert durch den Bestseller „Selfmade“ - der Untertitel verspricht in drei Wörtern „erfolg reich leben“. Als Freund unseres früheren Bundespräsidenten und Gatte von Veronika Ferres macht er seinen wesentlichen Buchinhalten alle Ehre: „Alpha-Prioritäten stets Grüne Welle geben“. Dass er auf dieser Grünen Welle zigtausende kleine Anleger um ihre Ersparnisse gebracht hat, indem er ihnen höchst riskante Finanzprodukte unterjubelte, wird in den Kreisen der reichsten Deutschen, zu denen er gehört, allenfalls unter der Überschrift „Neiddebatte“ verhandelt.
Randbemerkung Ende.
Zurück zum Thema Glück. Was hat diese Ausstellung, was haben diese Bilder mit Glück zu tun?
Ein prächtiger Hahn zeigt stolz sein buntes, schillerndes Gefieder – er scheint das Maschmeyer-Buch gelesen zu haben mit dem Erfolgs-Tipp „Strahlen Sie Siegesgewissheit aus!“ Der Titel des Bildes „
Karl Theodor oder Kleider machen Leute“ will jede Ähnlichkeit mit lebenden Personen sicherlich nicht dem Zufall zuschreiben. Ja, Kleider machen Leute, Adel verpflichtet und Hochmut kommt vor den Fall.
Doch wäre Birgit Dehn nicht Birgit Dehn, wenn es ihr nur um die Karikatur einer Politiker-Persönlichkeit ginge. Sie hält uns mit diesem einen Hahn und seinem individuellen Stolzieren einen Spiegel vor: wie leicht lassen wir uns von einer solchen Federpracht beeindrucken und übersehen dabei, dass dieser Hahn trotz der zur Schau gestellten Siegesgewissheit die Eier nicht zu legen vermag, die fast schwerelos im Himmelblau des Bildhintergrundes treiben.
Wer kann schon behaupten, ganz und gar immun zu sein gegenüber dem schönen Schein, der Pracht der Verpackungen, dem Glanz polierter Oberflächen. Wer hat sich nicht schon blenden lassen von Menschen, die – perfekt gestylt und grenzenloses Selbstbewusstsein ausstrahlend – ständig mit tollen Autos auf der grünen Welle unterwegs zu sein scheinen, während man selbst mit einer gerade noch durch den TÜV gebrachten alten Kiste allzu oft an der roten Ampel steht. Gar nicht so einfach, da nicht ein wenig neidisch zu werden!
Ach ja. Schön sein! Erfolgreich sein! Karriere machen!
Esel Hermann ist so einer, der sich vielleicht lange auf der Erfolgsspur wähnte.
Grüne Wiesen, ein geräumiger Stall, bestes Futter – ideale Voraussetzungen für eine erfolgreiche Laufbahn. „Esel Hermann oder Karriereknick“. Der Bildtitel verrät uns, dass Esel Hermann womöglich nicht verstanden hat, einen wichtigen Maschmeyer-Karrieretipp umzusetzen: „Nutzen Sie positive Gedanken als Erfolgsturbo!“
Nein, mein lieber Hermann, wer hier den Erfolgsturbo zündet, ist der Metzger, der dich zu Salami verarbeitet und damit gutes Geld verdient. Pech für den armen Hermann.
Angesichts dieses Schicksals ist die Katze mit dem wohlklingenden Namen „Sara Lee“ fast zu beneiden. Ein Prachtexemplar von Katze, wohlgenährt, sicherlich bestens umsorgt von treuen Dosenöffnern, die ihr jeden Wunsch von den Augen ablesen. „Sara Lee oder Des Guten zuviel“, hat Birgit Dehn diese Bild betitelt. Der rosafarbene Bildhintergrund zeigt ein Ornament aus rosettenförmig angeordneten weissen Mäusen – Mäusespeck ist es, eine marshmallowartige Süßigkeit, die in großen Mengen konsumiert selbst für menschliche Naschkatzen des Guten zuviel ist. Mae Wests Ausruf „Too much of a good thing can be wonderful!“ geht hier eher am Thema vorbei. Sara Lee würde den Mäusespeck sicher nicht anrühren, und das ist auch gut so.
Neben Karl Theodor, Hermann und Sara Lee präsentiert uns Birgit Dehn noch Jeanette und Brunhilde – auch ihr Glück ist sehr fragwürdig. „Jeanette oder Deutschland sucht die Superkuh“ - da wird aus dem anfangs zitierten „Recht auf Erfolg“ ganz schnell ein „Zum Erfolg verdammt“. Und „Wie im Himmel“ wird sich die Wollsau Brunhilde eher nicht fühlen. Sie mag als gutes Trüffelschwein in erster Linie ihren Besitzern Vorteile verschaffen. Auch beim Genuss der Schokoladentrüffel bleibt Brunhilde aussen vor – allenfalls fühlen wir uns für ein paar Naschminuten „wie im Himmel“.
Alle diese
Tierportraits sind – wie überhaupt sämtliche Arbeiten von Birgit Dehn, die Sie in dieser Ausstellung sehen - kluge, humorvolle, hintersinnige, doppelbödige und oft ziemlich böse Auseinandersetzungen mit den Widersprüchen und Sehnsüchten, die uns prägen. Birgit Dehn kratzt den Zuckerguss von den Koordinaten, nach denen wir unser Leben und Streben ausrichten. Sie ist dabei ganz dicht dran an den wesentlichen Fragen menschlicher Existenz: Wie frei und selbstbestimmt sind wir eigentlich? Was ist uns wichtig? Was macht uns glücklich? Was ist eigentlich Glück?
Schon Aristoteles stellte in seiner Nikomachischen Ethik fest: „Alle Menschen wollen glücklich sein.“ Mehr als 2 Jahrtausende später konstatiert ein gewisser Sigmund Freud in seinem Werk „das Unbehagen in der Kultur“: „Die Absicht, dass der Mensch glücklich sei, ist im Plan der Schöpfung nicht enthalten“. Freud scheint seine „Alpha-Prioritäten“ eindeutig an anderer Stelle gesetzt zu haben....
Was hätte er wohl gesagt zu den Arbeiten Birgit Dehns aus der Reihe
„Wa(h)re Liebe“? Sie finden sie im letzten Raum am Ende des Ganges rechts.
Birgit Dehn zeigt uns hier – offensichtlich „gebrauchte“ - Plüschtiere, die wie Gemüse oder Fleisch in eine Styroporschale gelegt und mit Frischhaltefolie überzogen wurden, um im Kühlregal eines Supermarktes als Ware feilgeboten zu werden. Wer diese Schmusetiere verpackt hat, war dabei alles andere als zimperlich. Schließlich muss ja alles irgendwie in dies genormte Schale passen – das geht nicht ohne Drücken und Quetschen! Wer tut diesen unschuldigen, womöglich über Jahre heiß geliebten Plüschtieren derart Gewalt an?
Es ist natürlich die Künstlerin, die hier nicht zimperlich war. Mit der Wahl ihrer Objekte und durch die Art der Präsentation bringt sie unsere Vorstellungen von Glück und auch von Liebe gehörig ins Wanken. Gestern noch geliebt, heute schon billige Ware im Kühlfach eines Discounters – das ist grausam. Wir wollen so gerne glauben, dass Liebe erstens keine Ware ist und zweitens ewig währt. Immerhin – im Kühlfach, durch Folie geschützt, bleibt alles vielleicht noch etwas länger frisch, kann das Verfallsdatum noch ein wenig hinausgeschoben werden.
Eine andere Form der Konservierung sehen wir in den beiden größeren Arbeiten, die im selben Raum hängen.
Im ersten Moment ist man versucht zu sagen:
“So abstrakt hat man Birgit Dehn noch nie gesehen!“ Denn was sie uns hier zeigt, scheint stark abstrahiert bzw. transformiert zu sein. Erst beim genauen Hinsehen stellt sich heraus, dass die Bilder genauso fotorealistisch und bis ins kleinste Detail perfekt gemalt sind wie alle anderen. Wir erkennen Blätter und Pflanzenstiele, rätseln dennoch lange, was das wohl ist, was Birgit Dehn da mal wieder in ihre Finger genommen hat. Auch der Titel hilft uns dieses mal nicht auf die Sprünge, liefert nur ein Datum. Was geschah an diesem Tag?
„Konservierung durch Kühlung“ war ja eben noch das Thema, das Birgit Dehn mit diesen beiden Arbeiten weiter verfolgt bzw. auf die Spitze treibt. Sie hat einen Blumenstrauß zusammen mit Wasser in einen Eiswürfelbehälter gepresst und tiefgefroren. Die Eiswürfel hat sie dann aus der Form gelöst, von verschiedenen Seiten fotografiert und anhand der Fotovorlagen vergrößert auf die Leinwand gemalt. Schon allein maltechnisch eine wahre Meisterinnen-Leistung!
Höchste Zeit, an dieser Stelle mehr als nur eine Nebenbemerkung über die technische Raffinesse der Bilder von Birgit Dehn zu machen!
Wenn Sie durch die Ausstellung schlendern, mag es dem einen oder der anderen so gehen wie mir: Ich möchte in Sarah Lees weiches Fell greifen, die samtigen, warmen Nüstern des Esels Hermann streicheln, ich rieche den süßlich-würzigen Duft der Kuh Jeanette, höre, wie der verkrustete Dreck aus Brunhildes Fell bröselt und fröstle ein wenig vor den tiefgefrorenen Sträußen. Sehen Sie sich an, wie genau jedes Material mit seinem ganz eigenen Charakter eingefangen ist: Metall, Schaum, Wasser, Leder, Eis, Folie, Fell, Haut, Pflanzliches, Plastik.... Birgit Dehn fängt die jeweilige Haptik, die Gerüche, die unterschiedlichen Temperaturen perfekt ein. Der jahrelange Blick durch Elektronenmikroskope, kombiniert mit Begabung, Ausdauer, einer guten Prise Perfektionismus und einer großen Liebe zu den kleinen Details scheint die ideale Mischung zu sein für eine derart präzise und – bei aller Sachlichkeit - auch ungeheuer sinnliche Malweise.
Auch in puncto Farbigkeit und Bildkomposition bewegt sich Birgit Dehn auf höchstem Niveau. Achten Sie z.B. auf die subtile Farbgebung der Tierportraits, auf die Platzierung der Tiere im Bildraum, auf ihre Körperhaltung und ihren Blick – das ist wirklich ganz große Klasse!
Alles ist in Acryl gemalt – was bemerkenswert ist, weil Ölfarben von den realistischen Malerinnen und Malern i.d.R. bevorzugt werden. Mit dem extrem schnell trocknenden Material Acrylfarben solche Bilder zu malen, ist eine große Herausforderung. Es ist in meinen Augen stimmig und konsequent, dass sich Birgit Dehn dieser Herausforderung stellt – die sie mit Bravour meistert. Der im Unterschied zu Ölfarben eher spröde Charakter der Acrylfarben passt gut zu Birgit Dehns Anspruch, eher sachlich und nüchtern ans Werk zu gehen und auf eine persönliche Handschrift zu verzichten.
Vom Handwerklichen wieder zurück zu den Themen und Inhalten.
Wir sind bei den Eiswürfeln angekommen und damit bei der Frage, was diese Eiswürfel mit Glück und mit Liebe zu tun haben. Blumensträuße bekommen wir ja meist von Menschen geschenkt, die uns mögen, uns eine Freude machen wollen. Sie symbolisieren Schönheit, Liebe, Glück, aber leider sind sie sehr vergänglich, sie welken allzu schnell und sehen dann gar nicht mehr schön und frisch aus. Schönheit, Liebe, Glück – wenn wir das alles nur ein bisschen länger konservieren könnten! Warum nicht einfach auf die Gefriermethode zurückgreifen?!
Was mit einem Blumenstrauß passiert, den Sie einfrieren, können Sie zuhause mal ausprobieren. Wenn Sie ihn auftauen, sieht er ganz und gar nicht aus wie frisch gepflückt, sondern Sie haben ein Häuflein Pflanzenmatsch vor sich.
Der Verfall lässt sich durch Einfrieren nicht verhindern, konserviert wir nur eine Illusion.
Wie immer löst Birgit Dehn mit diesen Arbeiten eine ganze Kaskade von Assoziationen und Fragen aus. Zu diesen Bildern passt für mich der Satz besonders gut, der da lautet: „Je näher du etwas anschaust, desto ferner schaut es zurück.“ Es gibt eine vordergründige Ebene, die uns anspricht, auf der wir neugierig den schönen Pinselstrichen und faszinierenden Texturen der realistischen Malerei folgen. Darunter öffnen sich immer weitere Ebenen, die uns in Tiefen führen können, deren dunkle Ecken wir vielleicht gar nicht so genau sehen wollen. Es könnte sein, dass sich dort etwas verbirgt, was die Bilder und Vorstellungen aus den Angeln hebt, die wir von uns selbst haben und von der Welt, in der wir leben.
By the way - wussten Sie, dass in den USA ein Architekt dabei ist, eine Art Luxus-Lagerhaus für 50.000 tiefgefrorene Tote zu realisieren? Sie sollen irgendwann in der Zukunft reanimiert werden. Die Einlagerung kostet laut Preisliste aus dem Jahr 2004 140.00 Dollar, wer nur sein Gehirn einfrieren lassen möchte, muss dafür lediglich 60.000 Dollar aufbringen.
Schon seit Jahrzehnten wird zum Thema Kryonik – dies ist der wissenschaftliche Begriff für das Gefrierkonservieren von Organismen – geforscht. Das Hautproblem war bisher, dass wie bei Birgit Dehns Sträußen die Zellen durch die Ausdehnung des Wassers zerstört werden. Seit 2001 gibt es aber Verfahren, wie der größte Teil des Wassers im Moment des Todes dem Körper entzogen werden kann. Es wird ersetzt durch eine Lösung mit dem Namen „Supercool“, wodurch die Zellen intakt bleiben. Auch für andere Probleme rund um die Reanimierung der so behandelten Toten gibt es in der Zwischenzeit Lösungsansätze.(1)
Das alles mögen extreme Auswüchse sein, die uns an Sciencefiction erinnern und auf den ersten Blick wenig zu tun haben mit unserem Leben hier und jetzt.
Und doch profitiert ein riesiger Wirtschaftszweig von unserer Sehnsucht, den eigenen Alterungsprozess so lange wie möglich hinauszuzögern. Es geht darum, auch in fortgeschrittenem Alter noch jung, frisch, fitt und faltenfrei durchs Leben zu tanzen. Dafür sind wir bereit, eine Menge Geld auszugeben und einige Opfer zu bringen. Der Umsatz, der mit Anti-Aging-Kosmetika gemacht wird, mit Botox-Spritzen, Schönheits-OPs und Fitness-Kursen, spricht hier Bände.
Wer ist diese Künstlerin, die uns mit dem treuen Blick des Esels Hermann auf der Ebene der zärtlichen Gefühle für ein liebenswertes Haustier ködert, um uns dann höchst unsanft auf den harten Boden der Desillusionierung fallen zu lassen?
Birgit Dehn ist eine waschechte Pfälzerin, und als Winzertochter hätte aus ihr sicher auch eine gute Weinbau-Expertin werden können. 1967 in Bad Dürkheim geboren, landete sie 2001 in schwäbischen Gefilden. Von 2001 bis 2005 studierte sie an der Freien Kunstakademie in Nürtingen und geht seither als freischaffende Künstlerin ihren Weg. Sie lebt und arbeitet in Tübingen, hat ihren Ausstellungsradius aber innerhalb weniger Jahre schon weit über die Region hinaus erweitert. So war sie u.A. letztes Jahr an der großen Ausstellung „Tierisch“ im Haus der Kunst in München beteiligt. Dieses Jahr wurde sie für Arbeiten aus der Reihe
„Ich will doch nur dein Bestes“ mit dem 2.Kunstpreis der Diözese Rottenburg-Stuttgart ausgezeichnet.
Mit ihrer Studien-Abschlussarbeit „Ich will doch nur dein Bestes!“, die im Laufe der Jahre durch neue Arbeiten ergänzt wurde, stellte Birgit Dehn schon 2005 auf beeindruckende Art unter Beweis, wie sie technische Perfektion und inhaltliche Aussagekraft bündeln kann.
„Ich will doch nur dein Bestes!“ - wer hat diesen Satz nicht schon gehört oder gar selber gesagt... Ich erinnere mich noch gut an meine Oberstufen- und Studienzeit Ende der 70-er, Anfang der 80-er-Jahre, als dieser Satz – leicht abgewandelt und ergänzt – als Botschaft auf bunt bemalten, alten VW-Bussen prangte, vor denen Latzhosenträger mit langen Haaren, die Gitarre in der Hand, Friedens- und Protestlieder sangen. „Ihr wollt doch nur unser Bestes, aber wir geben es euch nicht!“ Sie hatten offensichtlich verstanden, dass das angeblich Beste nicht unbedingt erfreulich für diejenigen ist, die die Folgen tragen müssen. Und dass die Frage, was denn „das Beste“ ist, wenig zu tun hat mit Einfühlung, Respekt, Liebe und Fürsorge, umso mehr aber mit Macht und Gewalt. Der Begriff „Definitionsgewalt“ spricht in diesem Fall Bände.
Was würde die Schildkröte wohl sagen, die mit einem in den Panzer implantierten Überrollbügel davor geschützt werden soll, durch Umkippen in eine hilflose Rückenlage zu geraten? Würde sie sich bei ihren Wohltätern bedanken? Oder der Lauch – ist ihm die Aussicht auf sein neues Erscheinungsbild Kompensation genug für die Torturen, die er über sich ergehen lassen musste? Sie sehen: „Ich will doch nur dein Bestes“ ist letztlich eine Formel, mit der Machtmissbrauch, schwarze Pädagogik und manipulative Übergriffe kaschiert und irgendwie legitimiert werden sollen. Malerisch und inhaltlich Birgit Dehn „at her best“!
Die italienische Schauspielerin Claudia Cardinale – schön, erfolgreich – soll einmal gesagt haben: „Liebe ist ein Käfig mit Gitterstäben aus Glück.“ Da sind wir wieder angekommen beim Glück und bei der Liebe, bei den Doppelbödigkeiten des Lebens, bei dem, was wir uns und anderen antun, um unsere Sehnsüchte zu verwirklichen und unsere Illusionen zu nähren.
Ein Satz von Jenny Holzer kommt mir in den Sinn – eine frühe Textprojektion, die – wenn ich mich richtig erinnere – im Herzen New Yorks am Times Square als eine Art Werbeband flimmerte. „Protect me from what I want“. So unterschiedlich die künstlerischen Mittel auch sein mögen - hier sehe ich eine enge Verbindung zu den Arbeiten von Birgit Dehn. Wir wollen so viel! Aber die Folgen dieses Wollens können so unheilvoll und zerstörerisch sein - sowohl für uns selbst als auch für die Gesellschaft, für die Kultur – dass es gut wäre, jemand könnte uns vor unseren eigenen Wünschen schützen.
Sie mögen einwenden, dass doch nichts dabei ist, den Wunsch zu haben, glücklich zu sein.
Ja, seien Sie glücklich! Ich wünsche Ihnen allen Glück, und ich möchte Sie deshalb zum Ende noch mit einem Brecht-Zitat aus der Dreigroschenoper beglücken:
„Ja renn nur nach dem Glück / doch renne nicht zu sehr / denn alle rennen nach dem Glück / das Glück rennt hinterher.“
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